Jakobsweg – Ein Weg zu sich selbst!

Jakobsweg – Ein Weg zu sich selbst!

Es ist Weihnachten 2016 – Zeit, das Jahr Revue passieren zu lassen. Die Gedanken schweifen … was ist 2016 alles passiert? Was war schön? Was waren schreckliche Momente? Was lernen wir aus all dem Geschehenen?

2016 war wirklich ein turbulentes Jahr. Aus meiner Sicht, dass Jahr mit den größten Höhen und Tiefen. Und das gar nicht auf persönliche Schicksale bezogen, sondern auf die Menschheit.

Doch zurück zu mir …

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Mein ganz persönliches Highlight war der Camino Frances, den ich vom 16. Mai bis 31. Mai 2016 gepilgert bin. Ein ganz tolle Erfahrung. Und nun, sechs Monate später möchte ich euch ein wenig daran teilhaben, was der Weg mit einem macht und wie er einen vielleicht verändert.

Zunächst eine kleine Vorgeschichte, warum ich diesen Weg gegangen bin. 2015 bekam ich von einer Freundin den Tipp doch mal das Buch „Ich bin dann mal weg“ von Hape Kerkeling zu lesen. Gesagt, getan – wobei ich mich für die Hörbuch Variante entschied. Ich war gefesselt von den Erzählungen und dachte mir, „hey, das musst du auch mal machen“. Nachdem ich dann im Dezember 2015 den gleichnamigen Kinofilm sah, stand fest, ich gehe 2016 den Jakobsweg. Anfangs belächelte mich mein Umfeld, sprach davon, ich hätte Flauseln im Kopf. Doch nach und nach merkten sie, Ilka meint es ernst. Und so schaute ich im März/April 2016 ein paar Youtube Videos, besorgte mir eine Ausrüstung, buchte zwei Wochen vorher einen Flug und schon ging es los.

Ich startete meine Reise – eine Reise zu mir selbst.

Ich habe wunderschöne Naturschauspiele auf 800 Kilometer Pilgerweg gesehen, interessante Menschen kennengelernt und viel über mich erkannt und gelernt. Mir ist bewusst geworden, wer ich wirklich bin und was ich will. Der Weg war für mich ein Spiegel meines Lebens. Ich möchte euch ein paar Beispiele zeigen, die dies vor Augen führen.

Ich muss zugeben, richtig „geplant“ habe ich meinen Jakobsweg nicht. Ich habe geschaut, was ich an Ausrüstung brauche und das war es. Noch nicht einmal habe ich geschaut wie der Streckenverlauf ist. Genauso ist es auch in meinem Leben. Ich hinterfrage nicht jede Tat, agiere oft spontan und bin keine großen „Planerin“. Jetzt und hier – und gerne mal schnell ist meine Devise. Ohne dieses „einfach machen“, hätte ich heute keinen Bachelor in der Tasche;-).

Ähnlich erlebte ich es bei meiner Jakobsweg Vorbereitung und auf dem Weg selbst. In Saint Jean Pied de Port angekommen hatte ich noch nicht einmal ein Zimmer reserviert, doch wusste ich, egal wie voll es ist, das Universum hilft dir immer! Und genauso war es. Es gab häufig Tage auf dem Camino, wo ich abends an ausgebuchten Herbergen vorbei kam, doch irgendwo gab es immer ein Bettchen für mich. Genauso ist meine Lebenseinstellung: Es gibt immer einen Weg. Und wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her! Manch einer wäre wahrscheinlich verrückt geworden, wenn er um 19 Uhr abends noch nicht weiß, wo er heute übernachten wird. Aber bei mir ist das anders, ich glaube fest daran, dass ich eine Bleibe finde und liebe gleichzeitig den Reiz, nicht zu wissen, wo ich heute bleibe.

Genau an diesem Punkt möchte ich ansetzen und vielleicht auch ein wenig Kritik äußern an alle die Pilger, die es immer meinen besser zu wissen. Seit meiner Rückkehr im Juni 2016 lese ich viele Beiträge bei facebook zum Camino – häufig ist es ein Erfahrungsaustausch. Es werden Fragen von „Neu-Pilgern“ gestellt, und Erfahrene üben Kritik anstatt den Mensch, Mensch sein zu lassen – er selbst sein zu dürfen – als Individuum. Ein typisches Beispiel ist eine Frage zur Vorbereitung, jemand ist unsicher und fragt im Forum seine Mitmenschen um Rat. Anstatt Antworten auf seine Frage zu erhalten, darf er Kommentare wie „Geh doch erst mal den Weg“, „Muss man denn alles so genau durchplanen“ oder ähnliches entgegen nehmen. Ich finde es ehrlich gesagt, schade, dass wir so miteinander umgehen. Denn, wenn der Weg mich eines gelehrt hat, dann ist es die Tatsache, dass der Mensch unterschiedlich „tickt“.

Ich finde, man sollte jedem Respekt schenken, der den Camino für sich geht. Und ja, da sind wir beim zweiten Thema. Der Mensch geht den Weg für sich. Und wenn er dabei Alles im Vorfeld organisieren möchte, dann sollte er dies tun. Auch, wenn es zum Beispiel konträr ist zu den Meinungen anderer oder zu meiner Vorbereitung. Wie gesagt, jeder nach seinem Gustus. Denn es wäre doch fatal, wenn eine Person, nur weil es in Foren so geraten wird, alles nach dem Willen anderer tut, sich auf den Weg begibt, und ständig in innerer Unruhe lebt, weil es nicht wie bisher alles geplant ist. Dies ist nur ein Beispiel von Vielen. Ich möchte mit diesem Beitrag jeden ermutigen diesen Weg auf seine Art und Weise zu gehen. Angefangen von der Vorbereitung bis hin zum Verarbeiten der Eindrücke nach dem Zieleinlauf in Santiago.

ES IST DEIN WEG! Und du hast ihn in der Hand, genauso wie dein Leben. ES IST DEIN LEBEN!

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Warum ich mir zu viele Gedanken mache? Auch ich erntete Kritik, da ich den Weg in 16 Tagen anstatt in 30-32 Tagen, wie es der herkömmliche Pilgerführer empfiehlt, gegangen bin. Doch seien wir mal ehrlich. Es ist „nur“ ein Pilgerführer. Sollte ich deshalb jeden Tag nach der Etappe sagen, wenn ich fit und munter bin, bis hier hin und nicht weiter?! Nein. Ich denke, der Pilgerführer ist eine Empfehlung für die Menschen, die vielleicht auch im Alltag nicht unbedingt – vorsichtig ausgedrückt – „Leistungssportler“ sind. Ich laufe seit acht Jahren Marathon, für mich stellt 40-50 Kilometer pilgern am Tag keine großartige Belastung dar, ich würde sogar einen Schritt weitergehen, mich aus dem Fenster lehnen und behaupten, dass für mich 50 Kilometer Pilgerstrecke so sind – wie für einen „Unsportlichen“ 25 Kilometer.

Für viele Pilger, heißt es, dass das schnelle Pilgern (wie ich es tat) oder das Zurücklegen mit dem Rad, nicht der eigentliche Weg ist – nicht der Weg zu sich selbst (da man doch zu zügig unterwegs ist). Ich habe daraufhin bestimmt Stunden damit verbracht zu hinterfragen, was heisst bei sich ankommen? Gibt es einen Zusammenhang zwischen „bei sich ankommen“ und Pilgergeschwindigkeit?

Nach einer ausgiebigen Google-Recherche und meinem persönlichen „sich Gedanken machen“ bin ich zu dem Entschluss gekommen, dass es hier keinen Zusammenhang gibt.

Was ist es also, was uns zu uns selbst auf dem Jakobsweg führt?

Ich glaube, es ist die Tatsache, dass man frei von Gedanken ist, im Jetzt und Hier auf dem Camino Frances ist. Es gibt keine endlos langen to-do Listen, keine Termine, die eingehalten werden müssen oder sonstige Verpflichtungen. Außerdem hat das Pilgern etwas meditatives. Man schaltet ab. Man ist man selbst und im Einklang mit der Natur. Es wird nicht ständig auf die Uhr gestarrt, e-mails gecheckt oder das nächste Internet-Cafe aufgesucht. Gut, letzteres könnte man tun, aber die meisten Pilgern hatten gar kein Interesse daran. Und auch die Gruppenpilger oder die, die mit dem Pferd oder Rad unterwegs sind, können nach meiner Theorie das „Aha“ Erlebnis haben.

Egal wie man diesen Weg geht, ob mit Hilfe (es gibt zum Beispiel auch den Koffer-Bring-Service zur Herberge), in einer Gruppe, mit dem Rad oder mit Hund oder in welcher Geschwindigkeit. Egal, ob über mehrere Jahre in kleinen Etappen oder in einem Ganzen. Egal, ob man täglich morgens um sechs Uhr die Herberge verlässt und sich auf den Weg begibt oder erst um acht Uhr morgens den Pilgerweg auf sich nimmt.
Man geht diesen Weg und man geht ihn für sich!

Also, liebe Pilgerinteressierte: Lasst euch nicht verunsichern oder eines Besseren belehren. Geht diesen Weg wie ihr ihn für richtig haltet! Meist üben die Menschen Kritik an Anderen, an Dingen, die sie bei sich selbst gerne hätten.

Zurück zur Eingangsfrage, was dieser Weg mit einem macht? Ich persönlich, gehe reflektierter durch die Welt. Zeige mehr Akzeptanz und auch Toleranz. Doch die Größte Erkenntnis ist, hast du NICHTS, kannst du ALLES haben. Auf dem Camino spürst du, dass die Freundlichkeit der Pilger, die fröhliche Art und die Gastfreundlichkeit der Spanier dich bereichern und glücklich machen. Du brauchst keine Breitling Uhr oder das neueste Macbook Pro. Was du brauchst, sind Mitmenschen, die wie du, das Leben genießen und positiv sehen. Du brauchst die Gespräche, die Lebensgeschichten anderer Menschen – und sogleich bereichern sie dein Leben. In diesen Momenten vergisst du, dass du „nur“ zwei Hosen, 1 Paar Schuhe, einen Schlafsack und andere unwichtige Utensilien bei dir hast. Und was du brauchst, ist die Natur – denn das Leben in der Natur gibt dir Kraft für den Tag. Umarm/-t einfach mal einen Baum und denk/-t an meine Worte!

Wenn Ihr Fragen zum Camino oder meinen Erlebnissen habt, schreibt mir gerne eine e-mail an mail@ilkagroenewold.de.

Gerne dürft ihr diesen Beitrag „teilen“ oder weiter empfehlen. Ich würde mich sehr darüber freuen.

BUEN CAMINO!

Eure Ilka

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